Marlene Kirchmann
16 hessische Schülerinnen und Schüler mit Spitzenzeugnissen haben sich eine Woche lang an der Philipps-Universität Marburg und der CSL Innovation GmbH mit der Entwicklung neuer Medikamente beschäftigt
Bensheim/Marburg • Verständlich, kreativ und hochspannend: So stellten die Ausnahmetalente die Ergebnisse ihrer einwöchigen Forschung zu Arzneimitteln der Zukunft am 6. September beim Biotechnologie-Unternehmen CSL Innovation GmbH im architektonisch beeindruckende Atrium 150 Gästen aus Schule, Wirtschaft, Politik und Forschung vor. „Wir sind stolz, junge Menschen an die industrielle Forschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen heranzuführen“, sagte Martina Schneider vom Leadership Team der CSL Innovation GmbH, einem weltweit führenden Biotechnologie-Unternehmen mit Sitz in Marburg, das das Erfinderlabor erstmals als industrieller Partner des Zentrums für Chemie (ZFC) begleitete. „Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Universitäten, dem Land Hessen und der Industrie zu stärken“, so Schneider. Und ihr Kollege Marc Nolte, ebenfalls im Leadership Team der CSL Innovation GmbH, ergänzte: „Ich freue mich sehr darüber, die jungen Frauen und Männer heute begrüßen zu dürfen.“ Insgesamt hatten acht Oberstufenschüler und acht Oberstufenschüler aus 16 Schulen am 37. Erfinderlabor des ZFC teilgenommen. Sie hatten sich im strengen Auswahlverfahren des ZFC gegen 126 Mitbewerberinnen und 111 Mitbewerber mit ausgezeichneten Schulleistungen und großem Interesse an Naturwissenschaften, Mathematik und Technik von 99 hessischen Schulen, der Deutschen Schule Seoul und der der Deutschen Botschaftsschule New Delhi durchgesetzt.
Kaffee, Tee und Kräuter?!
Was haben Pilze aus dem Ozean mit neuen Medikamenten zu tun? Sind Cremes zur Hautpflege oder Behandlung von Hauterkrankungen nützlich – oder enthalten einige womöglich schädliche Zusatzstoffe? Was ist eigentlich ein RNA-Impfstoff? Und wie lässt sich die neue Volkskrankheit
Demenz aufhalten? Fragen wie diese bildeten den Auftakt der Abschlusspräsentationen der jungen Forschenden. Eloquent erklärten die Schülerinnen und Schüler hochkomplexe wissenschaftliche Zusammenhänge. „Hört man den Begriff Naturstoffe, denkt man vielleicht an Kaffee, Tee oder Kräuter“, erklärte ein Schüler. „Aber so einfach ist es nicht.“ In der Arzneimittelforschung handle es sich bei Naturstoffen um biologische Verbindungen mit therapeutischem Potenzial, die man aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen isolieren könne. „Wir haben gelernt, wie man neue Naturstoffe findet und reproduziert.“ Für ihre Laborexperimente standen den Schülerinnen und Schülern modernsten Technologien der Philipps-Universität Marburg zur Verfügung, mit denen sie – betreut von erfahrenen wissenschaftlichen Mitarbeitenden – selbständig im Team arbeiteten.
„Was ist wahr und was ist Fake?“
(Dr. Thomas Schneidermeier, Vorstand des ZFC, Leiter des MINT-Zentrums Bensheim)
Organisiert wurde das 37. Erfinderlabor vom ZFC in Kooperation mit dem Fachbereich Pharmazie der Philipps-Universität Marburg und CSL Innovation GmbH. Gefördert wurde das einwöchige Forschungscamp vom Hessischen Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen, dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum, dem VCI Hessen und Spektrum der Wissenschaft. „Um gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen, braucht es einen MINT-Unterricht, in dem sich unsere Schülerinnen und Schüler anhand von gesellschaftlich relevanten Fragestellungen Grundlagen aneignen. Das Erfinderlabor ist eine Schnittstelle für den Transfer von aktueller Forschung aus Universität und Industrie in die Schule“, erklärte Dr. Thomas Schneidermeier die Mission des ZFC. Weshalb MINT-Wissen wichtig ist, verdeutlichten mediale Schlagzeilen, die der Vorstand des ZFC einblendete. Schneidermeier warf die Frage auf: „Was ist Fake und was ist wahr?“ Eine Einordnung falle selbst Erwachsenen oft schwer. „Mit MINT-Wissen ist es aber möglich, Schlagzeilen bewerten zu können“, sagte er. Dem ZFC und seinen Partnern ginge es außerdem darum, spannende Berufsoptionen im MINT-Bereich aufzuzeigen: „Wir fordern und fördern Hochleister, indem wir ihnen authentische Einblicke ins Studium und eine berufliche Orientierung ermöglichen.“
„Die Arbeit im Labor war wirklich bereichernd“
(Schülerin Marlene Kirchmann aus Karben, Kurt-Schumacher-Schule)
„Ich habe hier wirklich großartige Erfahrungen gemacht und so viele herzliche, inspirierende Menschen kennengelernt. Die Einblicke, die ich gewinnen konnte, haben meine Perspektive erweitert“, so Marlene Kirchmann aus Karben. „Die Arbeit im Labor war wirklich bereichernd. Ich konnte viele neue Experimente durchführen und hatte Zugang zu innovativen Technologien, mit denen man normalerweise nicht so leicht in Berührung kommt“, so die Schülerin von der Kurt-Schumacher-Schule. „Besonders beeindruckend war das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde, was mir viel Raum für eigenständiges Arbeiten gegeben hat. Auch war die Erfahrung für die zukünftige Berufsorientierung wichtig. Auch der Einblick in die Arbeitswelt bei CSL Innovation GmbH war interessant und hat neue Kenntnisse über die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern geliefert.“
„Fruchtbare Verknüpfung von Forschung und Anwendung“
(Prof. Dr. Sabine Pankuweit, Vizepräsidentin für Chancengleichheit und Karriereentwicklung, Philipps-Universität Marburg)
„Dank des großartigen Engagements der Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs Pharmazie konnte an der Philipps-Universität Marburg erstmals ein Erfinderlabor im Bereich Life Sciences und Arzneimittelentwicklung stattfinden“, sagte Prof. Dr. Sabine Pankuweit, Vizepräsidentin für Chancengleichheit und Karriereentwicklung an der Philipps-Universität Marburg. „Das Erfinderlabor ist eingebettet in ein breites MINT-Angebot der Universität. Wir würden uns freuen, wenn wir im nächsten Jahr wieder viele Studienanfängerinnen und -anfänger begrüßen dürfen.“ Pankuweit erklärte, das 37. Erfinderlabor sei eine „fruchtbare Verknüpfung von universitärer Forschung mit industrieller Anwendung“ und verwies auf einen Biotechnologie-Studiengang, den die Philipps-Universität Marburg gemeinsam mit der CSL Innovation GmbH anbietet, sowie diverse Dual Career-Angebote.
„Mit Visionen und Erfindergeist die Zukunft gestalten“
(Sonja Litzenberger, Leitende Ministerialrätin und stellv. Abteilungsleiterin, Hessischen Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen)
„Neben den entsprechenden kognitiven Kompetenzen braucht es in der Wissenschaft Neugier, Kreativität, Mut und die Fähigkeit, bei Rückschlägen weiterzumachen“, richtete Sonja Litzenberger, Leitende Ministerialrätin und stellvertretende Abteilungsleiterin am Hessischen Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen, ihr Wort direkt an die Schülerinnen und Schüler. „Wenn Sie über diese Fähigkeiten verfügen, bringen Sie alle Voraussetzungen mit, um erfolgreich zu sein.“ Wissenschaftliches Arbeiten sei die Grundlage allen Fortschritts, so Litzenberger, „und vor allem im MINT-Bereich liegt enormes Potenzial.“ Deshalb lege das Hessischen Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen großen Wert auf die Förderung des MINT-Nachwuchses. Die Themen, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler im Erfinderlabor befasst hätten, seien unmittelbar relevant für die wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. „Wir brauchen Menschen wie Sie, die mit Visionen und Erfindergeist unsere Zukunft gestalten.“
„Pioniergeist, Innovation und wissenschaftliche Expertise“
(Dr. Janin Sameith, Referentin Ressourceneffiziente Produktion und Transformation, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum)
„Die Gesundheitsbranche ist hier in Mittelhessen ein entscheidender Motor der Wirtschaft”, sagte Dr. Janin Sameith, Referentin Ressourceneffiziente Produktion und Transformation vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum. Marburg sei die Wiege der Biotechnologie-Industrie: „Hier kommen seit über 100 Jahren Pioniergeist, Innovation und wissenschaftliche Expertise zusammen, um Entwicklungen voranzutreiben, heutzutage etwa im Kontext von Immun- und Zelltherapien oder modernen CRISPR/CAS-Methoden.” Das Erfinderlabor diene der Sicherung künftiger MINT-Krafkräften: „Sie sind die Zukunft”, so Sameith zu den Schülerinnen und Schülern.
Wertvolles Feedback und Tipps für die Zukunft
Im Anschluss an ihre Referate erhielten die Schülerinnen und Schüler wertvolles Feedback und Tipps für die berufliche Zukunft. Was ist ihnen in den Präsentationen besonders gut gelungen? Wo ist vielleicht noch Luft nach oben? „Das war eine großartige Teamleistung und Ihre Begeisterung ist aufs Publikum übergesprungen“, lobte Martin Vey vom Leadership Team der CSL Innovation GmbH die Vortragenden. Auch zeigte er sich begeistert davon, wie sicher die Schülerinnen und Schüler Fachbegriffe angewendet hätten. „Die Methoden, die Mikroorganismen, die chemischen Begriffe – das alles ist Ihnen locker über die Lippen gegangen.“ Sonja Litzenberger, Leitende Ministerialrätin und stellvertretende Abteilungsleiterin am Hessischen Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen, lobte den spannenden Einstieg ins Thema: „Sie haben Ihr Publikum direkt angesprochen und dadurch mitgenommen.“ Auch der Aufbau der Präsentation sei hervorragend gewesen. „Sie haben sich die Experimente zu eigen gemacht, indem Sie sich mit Ihnen identifiziert haben“, resümierte Litzenberger. „Eine tolle Leistung.“ Und Prof. Dr. Raphael Reher vom Institut für Pharmazeutische Biologie und Biotechnologie der Philipps-Universität Marburg riet: „Hören Sie nie auf, an Ihren Visionen festzuhalten.“
Ein Jackpot: Einblicke in Studium und Beruf
Martina Schneider vom Leadership Team der CSL Innovation GmbH stellte Berufsfelder und Einstiegsmöglichkeiten in die Pharmaindustrie vor – besonders interessant für die Schülerinnen und Schüler, die als Gäste an der Abschlussveranstaltung teilnahmen und noch überlegen, wie es nach dem Abitur weitergeht. „Wir bieten Praktika für Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Altersstufen“, so Schneider. „Außerdem gibt es ein Trainee-Programm, wo Studienabsolventinnen und -absolventen über einen Zeitraum von zwei Jahren verschiedene Abteilungen kennenlernen und sich spezialisieren können.“ Clara Prasch lieferte weitere Einblicke. Die Studentin befindet sich im achten Semester des Pharmazie-Studiums und berichtete von ihren Erfahrungen. „Gesundheitsberufe fand ich schon immer spannend“, sagte sie, „und für mich ist die Pharmazie ein Jackpot. Theorie und Praxis sind optimal miteinander verzahnt.“
„Frag die Minties“: Spannende Videos, Shorts und Reels
Hochaktuell und spannend waren nicht nur die Vorträge der Schülerinnen und Schüler. Auch im vorgestellten ZFC-Format „Frag die Minties“ geht es äußerst innovativ zu: In kreativen Clips auf diversen Social Media-Kanälen präsentieren ehemalige Erfinderlabor-Teilnehmende, die nun im MINT-Bereich studieren und von denen zwei (Joelina Gärten und Pablo del Rio) die Abschlussveranstaltung außerdem eloquent moderierten, Aktuelles rund um Zukunftstechnologien neuen Arzneimittel – beispielsweise mRNA-Impfstoffe – oder die Energiewende, etwa zu bioabbaubaren Kunststoffen oder Grünem Stahl. Auch allgemeine Fragen sind bei „Frag die Minties“ Thema, zum Beispiel: Wie läuft ein MINT-Studium ab? Was kann man in einer Bachelorarbeit erforschen? „Die Inhalte können in der Freizeit über Social Media Kanäle durch Schülerinnen und Schüler konsumiert werden. Sie ergänzen den MINT-Schulunterricht“, so Dr. Thomas Schneidermeier. „Unser Ziel ist es auch, dass Lehrkräfte die Videos, Shorts und Reels in ihren Unterricht integrieren.“
Engagierte Partner und großartige Zusammenarbeit
Die Unterstützung durch die Partner und die wissenschaftlichen Mitarbeitenden der Philipps-Universität Marburg sei „großartig“ gewesen, resümierte Dr. Thomas Schneidermeier. „Ich möchte mich bei allen bedanken, die an der Veranstaltung mitgewirkt haben.“ Lobende Worte richtete der Vorstand des ZFC auch an die Schülerinnen und Schüler: „Ihr habt Hervorragendes geleistet.“ Damit die angehenden Forscherinnen und Forschern künftig stets bestens informiert sind über die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen, überreichte er allen gemeinsam mit seiner Kollegin Magdalena Schmitt als Geschenk ein Jahresabonnement von Spektrum der Wissenschaft, mit dem sie Zugriff auf alle digitalen Inhalte des Wissenschafts-Verlags haben.
Teil der ZFC-Initiative „Schule 3.0“
Die Erfinderlabore sind Teil der ZFC-Initiative „Schule 3.0 – MINT for Future“, unterstützt u.a. von der LandesEnergieAgentur Hessen GmbH (LEA Hessen). Ziel der Initiative ist es, Zukunftstechnologien z.B. zu Digitalisierung, Künstlicher Intelligenz, Energiewende und Arzneimittelentwicklung in den Regelunterricht an Schulen verknüpft mit Basiswissen zu integrieren, um im Fachunterricht eine berufliche Orientierung zu ermöglichen. Die Initiative „Schule 3.0“ soll junge Menschen außerdem dazu befähigen, gezielt verbreitete Fake News im Netz mit MINT-Wissen zu erkennen.
Über das Zentrum für Chemie
Das Zentrum für Chemie (ZFC) ist ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Seit 20 Jahren führt das ZFC in Kooperation mit Schulen, Hochschulen, Unternehmen, Verbänden, Stiftungen und Ministerien MINT-Projekte für Schülerinnen und Schüler im Alter von 8 bis 19 Jahren durch, um klassische Unterrichtsinhalte mit Berufsfeldern im MINT-Bereich zu koppeln. Die Einbindung gesellschaftsrelevanter Fragestellungen in den Regelunterricht ermöglicht eine bessere berufliche Orientierung, trägt damit zur MINT-Fachkräftesicherung bei und erlaubt es News mit MINT-Wissen einzuordnen.
Weitere Informationen: www.z-f-c.de
Link zum Trailer: https://youtu.be/-tzAcSZknvE?si=wPdJ4gGwUQIX0YLj
Link zum Mitschnitt der Abschlussveranstaltung: https://youtu.be/fxYmYQkivOo?si=fJdNfpTRKzQIA-V8
Lesen Sie hier einen Artikel aus der Wetterauer Zeitung vom 23.09.2024 zum Thema.