Molekular- und Evolutionsbiologin gab Ernährungstipps / „Stress-Resistenz kann man essen!“
Der Förderverein der Kurt-Schumacher-Schule lud am 17. Oktober zu seinen zweiten „Herbstgesprächen“ ein. Im letzten Jahr hatte der Lernforscher PD Dr. Max Happel wichtige Bausteine eines „gesunden Lernumfelds“ aufgelistet. Diesen Faden griff jetzt die Molekular- und Evolutionsbiologin Dr. Sabine Paul, „Expertin für genussvolle Gehirn-Fitness und Stress-Schutz“ sowie Leiterin des Frankfurter Instituts für evolutionäre Gesundheit, auf. Die Expertin erläuterte, mit welcher Ernährung und welchen Genussmitteln sich Konzentration und Gedächtnisleistung im Alltag steigern lassen. Das so genannte Brainfood, so Dr. Paul, sei mehr als nur ein Modethema.
Im Einzelnen zeigte die Expertin auf, welche Nahrungs- und Genussmittel dem Gehirn bei seiner Arbeit helfen, welche wichtigsten zwei „Störfaktoren“ eher schaden können, welche „Blitzhelfer“ und „Gehirndopings“ der Leistungsfähigkeit gut tun und welche Erfahrungen Schulen und Unternehmen mit Brainfood gemacht haben. Sie brachte auch Kostproben mit, um die 70 interessiert zuhörenden Gäste – mit Erfolg – von den von ihr gelobten Nahrungsmitteln zu überzeugen. Vor Ort sorgte im Foyer zusätzlich die schulische Projektgruppe „Tischkultur“ mit kleinen Snacks für die Veranstaltungsteilnehmer für viel Gaumen-Genuss.
Effektives Brainfood
Dr. Sabine Paul warf zunächst einen Blick auf unser Gehirn. Das besteht zu 73 Prozent aus Wasser, die Trockenmasse bilden jeweils zur Hälfte Fett und Protein (Eiweiß). Wichtig für die Funktion der Nervenzellen und ihrer Verbindungen sind die sogenannten Neurotransmitter, die Botenstoffe. Zu den wichtigsten gehören Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin, zuständig für Antrieb, Konzentration, Motivation und Gedächtnis. Sie basieren auf der Aminosäure Tyrosin und erfordern die Zufuhr von Eisen, Zink, Vitamin B6, Vitamin C, Kupfer, Magnesium, Vitamin B12 und Folsäure. Das Wachhormon Serotonin und das Schlafhormon Melatonin, die als Ausgangsstoff die essentielle Aminosäure Tryptophan haben und die Zufuhr von Eisen, Vitamin B6 und Zink – sowie Tageslicht – erfordern, bewirken Glücksgefühle, Motivation bzw. guten Schlaf.
Wichtig, betonte die Referentin, sei, dass der Mensch die Bausteine der Botenstoffe mit der Nahrung aktiv aufnehmen müsse. Ohne Nervennahrung herrsche quasi „Funkstille“ im Gehirn. Man benötige also Wissen, aus welchen Nahrungsmittelgruppen die Nährstoffe zu beziehen sind. Hier kommen die „Unentbehrlichen“ ins Spiel: insgesamt 3 x 3 = 9 Nervennahrungs-Kategorien. Dies seien: Nüsse und Samen (u.a. Haselnüsse, Mandeln, Kakaobohnen); Ei und (Hart)Käse; Hülsenfrüchte: Fleisch und Innereien (gut: Leber); Früchte; Pilze; Fisch und Krustentiere; Gemüse sowie Gewürze.
Pro Tag solle man möglichst zwei bis drei Kategorien in seine Ernährung einbauen, empfahl Dr. Paul. Dabei spielten auch die heutzutage in der Nahrung eher verpönten Fette, von denen die Menschheit seit zwei Millionen Jahren lebe, in ursprünglicher Form (Nüsse, Samen, Wildfangfische, Weidetiere – entsprechend ernährt – ) eine Rolle. Es müsse und solle nicht immer Fertigpizza sein. Zum Thema „Gehirndoping mit Gewürzen“ hat die Referentin 2018 ein Buch veröffentlicht, das in der Expert Fachmedien GmbH erschienen ist.
Störfaktoren
Laut Sabine Paul ist jedoch bei zwei Nahrungsmittelbestandteilen Vorsicht geboten: beim Zucker und bei Zusatzstoffen in Nahrungsmitteln. Zwar brauche das Gehirn, das keinen Energiespeicher besitze, viel und schnell zu gewinnende Energie, zumal es 20 bis 50 Prozent der dem Menschen zur Verfügung stehenden Energie beanspruche. Eine reichliche Zuckerzufuhr, das bestätigten nicht zuletzt die Fachleute der die zockenden PC-Gamer beratenden Gaming Academy, sei dennoch „schlecht“. Diese erzeuge eine enorme Schwankung zum einen in der Konzentrationsfähigkeit und zum anderen in der eigenen Gefühlswelt. Der beliebte Muffin zur Stärkung vor Prüfungen führe entgegen der Absicht leicht zum „Absturz“ der Denkfähigkeit. Hoher Blutzucker fördere aber nicht nur ein schlechteres Gedächtnis und Lernprobleme. Er könne sogar zu einer Entzündung im Gedächtniszentrum (Hippocampus) führen und stehe im Verdacht, für Demenz mit verantwortlich zu sein, die sich damit als Zuckerkrankheit/Diabetes Typ 3 herausstellen könnte.
Bei vielen Lebensmitteln sei der Anteil der Kohlenhydrate hoch. Er betrage bei einem klassischen Schokoriegel über 70 Prozent, bei einem Bio-Produkt meist 40 bis 50 Prozent, während selbst gemachte Schokolade mit ca. 25 Prozent auskomme. Viele gängige Schokoladenprodukte bestehen zu über der Hälfte aus Kohlenhydraten. Der Zuckergehalt von Schokoladenprodukten sei zum Beispiel in Großbritannien zwischen 1992 und 2017 um fast ein Viertel gestiegen. Gesünder sei langsam freigesetzter Zucker wie etwa in Bananen oder Aprikosen. Selbst gemachte Rote Grütze schlage nur mit 11 Prozent Kohlenhydraten zu Buche.
Als weiterer „Konzentrations-Räuber“ entpuppten sich Zusatzstoffe. Künstliche Farbstoffe wie die mit E-Nummern versehenen Stoffe, so die Referentin, machten unkonzentriert, einige stehen sogar in Verdacht, bei Kindern Aufmerksamkeitsstörungen hervorzurufen. Stattdessen legte sie den Anwesenden nahe, beim Kochen und Backen natürliche Farbe von Beeren, Möhren, Spinatblättern usw. zu verwenden.
Blitzhelfer und Gehirndoping
Gehirndoping schaffen aber nicht nur gesunde Lebensmittel, sondern auch Aromen und ätherische Öle, welche über die Nase schnell ins Gehirn gelangen und unsere Stimmungen beeinflussen. Die Molekular- und Evolutionsbiologin hob hier den Ceylon-Zimt hervor, der das Denken und Lernen beflügele und den Blutzucker senke. Er sei nicht zu verwechseln mit dem Cassia-Zimt, welcher wegen seiner hohen Menge des Aromastoffes Cumarin bedenklicher sei.
Sie empfahl auch Kurkuma (Gelbwurz), die die Konzentration und Wachheit steigere, eine Zellneubildung im Gedächtniszentrum anrege und stimmungsaufhellend wirke. Produkte des Cashewbaums seien ebenso gesund. Curry-Cashews sei ein echter Geheimtipp. Bei jedem Nahrungsmittel gelte natürlich, dass es nicht überdosiert werden dürfe.
Erfahrungen
Im letzten Abschnitt ihres Vortrags berichtete Sabine Paul über Erfahrungen von Schulen und Unternehmen mit Brainfood. So seien in der Albert-Einstein-Schule in Maintal und dem Leibnitz-Gymnasium in Wiesbaden erfolgreich einschlägige Projekte durchgeführt worden, an denen sie beteiligt gewesen sei. Zudem haben verschiedene Firmen, wie Literaturstudien belegen, mehr oder weniger lange andauernde Ernährungsinterventionen am Arbeitsplatz erprobt und durchweg positive Effekte verzeichnet, darunter deutlich weniger Fehlzeiten des Personals, schnellere Reaktionszeiten und verbesserte Stimmung. Bei 18 Lastwagenfahrern wurde bereits nach 12 Tagen Ernährungsintervention ein geringerer Cholesterinwert gemessen. Auch bei einem Führungskräfteprogramm der Unternehmensberatung Accenture 2018/2019 in München mit Frau Dr. Paul zeigte sich unter anderem, dass ein gehirngerechtes Lifestyle- und Ernährungsprogramm einen verbesserten Fett- und Leberstoffwechsel sicherstellt.
Kostproben und Website
Dass Gehirnnahrung, die gesund ist, auch gut schmeckt, bewies die Referentin mit kleinen Kostenproben, darunter Schokolade mit Hanfsamen, Kakao-Nibs, Berberitzen und Cashews im Currymantel. Die Gäste der Veranstaltung fanden diese durchweg „richtig lecker“ und dürften sich vom Leitsatz der Referentin überzeugt haben lassen, dass man „Gehirnleistung und Stress-Resistenz essen kann“. Eine Erkenntnis, die sicher auch Ihren (Schul-)Kindern zugutekommen wird. Im Internet findet man die Referentin unter https://www.nerven-power.de/.
Ha/2019-10-18
Lesen Sie hier einen Artikel aus der Wetterauer Zeitung vom 25.11.2019 zu dieser Veranstaltung.
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