Schüler der Kurt-Schumacher-Schule lesen die Namen der 570 Karbener vor, die infolge des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust ihr Leben verloren. Musikalische Klänge kommen dabei vom Saxophon. © Georgia Lori
Die Stadt Karben nutzt den Volkstrauertag, um am Waldfriedhof in besonderer Weise an die Opfer von Gewaltherrschaft zu erinnern.
570 Menschen aus Karben haben infolge des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust ihr Leben verloren. Seit 2019 werden die Namen am Volkstrauertag vorgelesen. Das übernehmen Schüler der Kurt-Schumacher-Schule (KSS). Auf der zentralen Gedenkplatte im Friedenswald am Klein-Karbener Waldfiedhof sind die Namen eingraviert. Von dort aus führen strahlenförmige Wege in Sackgassen, die den abrupt endenden Lebensweg der Menschen symbolisieren. In jedem Jahr werden weitere Tafeln an den Enden aufgestellt. Am Sonntag sind drei weitere hinzugekommen.
Während der Theaterszene in der Trauerhalle, die die Verblendung in den Mittelpunkt stellte, erinnerten die Sprecher der Gruppe LangsamLauter an den Erlass zur Bildung des Volkssturms am 25. September 1944 mit waffenfähigen Männern im Alter von 16 bis 60 Jahren. Dieses letzte Aufgebot kostete mindestens 175 000 Menschen das Leben. »Andere nahmen sich das Leben, weil das Dritte Reich keine Erleuchtung brachte, sondern nur Verblendung«, sagte ein Sprecher.
Pfarrer Eckart Dautenheimer stellte die Frage, wer die Verblendeten aufhalte? Hitler sei letztendlich von den Alliierten gestoppt worden. Wer stoppe die Autokraten der Gegenwart, die verblendet mordeten von der Ukraine bis Palästina, Israel und dem Libanon? Und wie verblendet würden Trump und die neue deutsche Regierung handeln, fragte er. Einzelne Menschen tragen Verantwortung und könnten Massen manipulieren, damit diese mordeten. »Dass Jesus Christus von den Toten auferstanden ist, macht deutlich, nie die Hoffnung aufzugeben, uns für wertes Leben und Frieden einzusetzen«, so Dautenheimer.
Gedenken an 21-jähriges Opfer
Erster Stadtrat Thomas Schrage (CDU) erklärte, dass die Erinnerung an die nächsten Generationen weitergereicht werden müsse. In Karben verlese man deshalb die Namen, um an Opfer aus Karbener Familien zu erinnern. Nicht nur im Friedenswald sollen die Schicksale auf Tafeln dargestellt und über sie berichtet werden, um Menschen aus der Anonymität der vielen Opfer hervorzuholen. Die Tafeln sollen auch in den Stadtteilen aufgestellt werden. »Die Erinnerung hält man darüber wach, indem man sich selber und im Umfeld immer wieder sagt, wie das beginnen kann: Mit Aggression, Neid, dem Versuch, Macht über andere Menschen zu gewinnen«, sagte Schrage.
Stephan Kuger stellte die neue Tafel über Ernst Kost aus Burg-Gräfenrode vor. Er wurde 1940 als 21-Jähriger an der Westfront getötet und war der erste im Zweiten Weltkrieg gestorbene Soldat aus Burg-Gräfenrode.
Monika Lenniger, Lehrerin an der KSS, sagte, dass gerade der Zugang für die Schüler ein anderer sei, sich fast 80 Jahre nach Kriegsende mit den Themen auseinanderzusetzen. Schüler Nathan Theiler nahm Bezug zur Tafel Demokratie. »Die Legitimität unserer Demokratie wird angefochten«, sagte er. Der jahrelange Aufbau einer europäischen Einheit scheine zu bröckeln. Die Erhaltung der deutschen Erinnerungskultur und des Gedenkens sei ein Auftrag an die Generationen. Die dritte Tafel beschäftigte sich mit dem Einmarsch der Amerikaner am 28. März 1945 und die hohe Suizidrate nach der Niederlage. Schülerin Leni Müller (17) fand die Veranstaltung sehr sinnvoll, um das Erinnern weiterzutragen. »Kommunikation ist sehr wichtig und auch, dass wir in unserem Alter mit anderen Leuten sprechen«, sagte sie. »Das Verlesen der 570 Namen ist etwas ganz Besonderes. Ich bin immer emotional überwältigt. Doch oft kommt es mir so vor, als würde die Bereitschaft unter Gleichaltrigen sinken«, sagte Theiler.
Lesen Sie den Originalartikel von Giorgia Lori in der Wetterauer Zeitung vom 18.11.2024 hier.