
Bei Rollenspielen beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler der Pusch-Klasse mit ihren Praktika. © Jennifer Ningel
Jugendlichen eine Perspektive geben. Jenen, die ihr Päckchen zu tragen haben, mehr Unterstützung zukommen zu lassen. Dafür sind Pusch-Klassen. Die erste Schule mit einer Pusch-Klasse im Wetteraukreis ist die Kurt-Schumacher-Schule in Karben.
Mittwochmorgen, 8.15 Uhr: Der Unterricht an der Kurt-Schumacher-Schule beginnt. Auch die Schülerinnen und Schüler der 9cH betreten ihr Klassenzimmer, gehen zu ihren Plätzen. Anders als der Rest der Gesamtschule starten sie ihren Tag aber nicht mit Mathe, Deutsch oder Ethik - sie berei ten sich den ganzen Tag auf ihre bevorstehende Praktikumszeit vor. Denn die 9cH ist nicht irgendeine Hau ptschulklasse, sie ist die erste Pusch-Klasse an der KSS und im W etteraukreis.
Hinter dem Akronym »Pusch« verbirgt sich ein Program m, das die Zu kunft vieler junger Menschen beeinflusst. Es steht für Praxis und Schule - und das ist wörtlich zu nehmen. Mit dem erhöhten praktischen Anteil und den deutlich kleineren Klassen soll den Hauptschülerinnen und Hauptschülern geholfen werden, ihren Abschluss zu erreichen. Julia Scheld hat sich dafür eingesetzt, dass Pusch an der KSS angeboten wird. »Ich habe es initiiert, weil ich festgestellt habe, dass viele die zusätzliche Unterstützung brauchen«, sagt die Klassenlehrerin der Pusch-Klasse, die das Programm von ihrer vorherigen Schule kannte. Die Jugendlichen kommen alle mit einer Vorgeschichte, sagt Scheld. Viele sind erst seit einigen Jahren in Deutschland - einer ihrer Schützlinge sogar erst seit einem Jahr. Besonders mache das Programm d abei eines: »Durc h den erhöhten Praxisanteil werden Erfolgserlebnisse geschaffen.« An diesem Morgen bedeutet das für die Jugendlichen unter anderem Rollenspiele zu verschiedenen Szenarien, die ihnen während des Praktikums passieren werden. Eine Gruppe spielt die Szene vor, die anderen müssen erraten, was passiert.
In diesem zweiten Halbjahr werden sie zweimal in der Woche in ihrem Praktikumsbetrieb sein - dienstags und mittwochs. Lediglich in der ersten Woche des Halbjahrs sind sie komplett in der Schule und haben somit zwei Tage, an denen sie sich nur mit ihren Praktikumsbetrieben auseinandersetzen können. An den anderen drei Tagen haben die 13 Schülerinnen und Schüler normalen Unterricht.
Jugendliche unterstützen
Um den Stoff unterzubringen, müssen sie an den drei Tagen allerdings bis zur neunten Stunde bleiben. »Jeden zweiten Freitag hören wir zur sechsten Stunde auf, damit sie nicht immer bis zur neunten bleiben müssen«, sagt Julia Scheld. Denn die Jugendlichen sind freiwillig in dieser Klasse, haben sich für da s Programm beworben und sollen weiterhin hingehen wollen. Daher arbeitet sie auch viel mit Fleißarbeiten, schließlich mache nach neun Stunden niemand gerne noch Hausaufgaben, sagt sie. Neben Scheld unterrichten noch drei andere Lehrer die Pusch-Klasse. Mit dem kleinen Lehrerteam entsteht leichter eine Beziehung zwischen den Schülern und den Lehrkräften. »Das trägt Früchte.«
Pusch kann auf verschiedene Arten gegliedert werden. An der KSS hat man sich für das einjährige Programm entschieden. Im ersten Halbjahr waren die Hauptschülerinnen und Hauptschüler zweimal in der Woche in der Beruflichen Schule am Gradierwerk in Bad Nauheim. Nun werden sie an zwei Tagen in der Woche ihr Praktikum absolvieren. Für das Halbjahr sind zwei verschiedene Praktika geplant, eines vom 11. Februar bis 2. April und das andere vom 22. April bis 18. Juni. Dadurch sollen sie Einblicke in verschiedene Berufe bekommen.
Bei der Suche nach Praktikumsplätzen wurden die Jugendlichen tatkräftig von Ömer Celenk unterstützt. An drei Tagen ist er als Pusch-Coach für die Schülerinnen und Schüler vor Ort, an zwei Tagen seine Kollegin Katharina Deibel. Beide kommen vom Bildungswerk der hessischen Wirtschaft.
Die beiden sind als Ansprechpersonen für die Jugendlichen vor Ort, helfen beim Schreiben von Bewerbungen, üben Anrufe und besuchen sie an ihren Praktikumsstellen.
Durch die zusätzliche Unterstützung blühen die Jugendlichen auf und entwickeln sich auch persönlich weiter, sagt Scheld. Sie und Celenk wünschen s ich, dass es mehr Pusch-Klassen gäbe. Denn sie sind nicht nur die »Resterampe«, sondern Schülerinnen und Schüler mit Zielen und Träumen, die einfach mehr Hilfe brauchen, um den Abschluss zu schaffen.
Wer darf mitmachen?
In die Pusch-Klassen werden 14- bis 18-Jährige aufgenommen. Sie müssen sich freiwillig für das Programm bewerben, und die Eltern müssen zustimmen. Die Schülerinnen und Schüler müssen eine anständige Note im Arbeits- und Sozialverhalten haben. Aufgenommen werden auch jene aus dem Realschulzweig oder von anderen Schulen.
Lesen Sie den Artikel hier in der Wetterauer Zeitung vom 15.02.2025, hier in der FNP vom gleichen Tag oder hier in der FR vom 07.02.2025.