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18. November 2024

Presseartikel: Übers Vorlesen und Zuhören

 

Seit mehr als zehn Jahren ist sie sozusagen das Gesicht hinter dem Vorlesetag an der Kurt-Schumacher-Schule: Lehrerin Evi Kirchgäßner. © Jana Sauer

 

Als Teil n der bundesweiten Aktion fand jetzt an Kurt-Schumacher-Schule in Karben ein Vorlesetag statt. Mehr als ein Dutzend Vorleserinnen und Vorleser trugen zwei Schulstunden lang Texte vor.

Konzentriert sitzen die Zehntklässler in den Stuhlreihen des Biologieraums. Doch auf dem Stundenplan steht heute kein Bio, sondern Zuhören: Sie bekommen die Geschichte von Lu Si-Yan vorgelesen, einem elfjährigen Mädchen, das von ihrem Onkel als Dienstmädchen verkauft wird und schließlich als Arbeiterin in einer jener Fabriken landet, in denen billige Klamotten, Spielzeuge und anderes für Europa produziert werden. Die Jugendlichen reisen damit gedanklich in ein ihnen völlig fremdes Leben, in die ärmsten Ecken Chinas - und es ist mucksmäuschenstill im Raum.

Interesse für Bücher wecken

Genau das ist es, was der Vorlesetag als bundesweite Aktion einmal im Jahr fördern will: Konzentrationsfähigkeit, Zuhören, das Interesse für Bücher. »Das fällt Kindern und Jugendlichen unterschiedlich schwer«, weiß Evi Kirchgäßner. Seit mehr als zehn Jahren organisiert sie den Vorlesetag an der Kurt-Schumacher-Schule Karben (KSS). Einige könnten sehr gut zuhören, für andere sei die Zeitspanne einer ganzen Schulstunde sehr lang, um konzentriert dabei zu bleiben, erklärt die Lehrerin. In diesem Jahr konnten sie und ihr Team 19 Vorleserinnen und Vorleser gewinnen, die zwei Schulstunden lang in allen Schulzweigen vorgelesen haben. Unter ihnen »prominente« Gesichter Karbens etwa Erster Stadtrat Thomas Schrage (CDU), Lea Führ als Vertreterin der Stadtbücherei oder Stadträtin Sabine Helwig (CDU), aber auch Mütter von KSS-Schülern sowie Jana Sauer, Autorin dieser Zeitung. Viele von ihnen sind über die Jahre fest an die Aktion gewachsen. »In diesem Jahr sind aber auch viele neue Gesichter dabei«, erklärt Kirchgäßner. »Ich freue mich über jeden, der Freude am Vorlesen hat und diese weitergeben möchte.«

Für Evi Kirchgäßner ist der Vorlesetag dabei nur ein Baustein, um die Lesekompetenz zu fördern. Auch ein Vorlesewettbewerb findet einmal im Jahr statt. Die Bücherei, die Kirchgäßner mit Michaela Eichwede leitet, ist ein weiterer entscheidender Schlüssel: Eine von fünf Unterrichtsstunden Deutsch verbringen die Fünft- und Sechstklässler der KSS hier regelhaft, erklärt Kirchgäßner. Liebevoll sind die neusten Bücher ebenso wie Klassiker präsentiert. Dafür sorgt die Bücherei-AG, die auch beim Vorlesetag die Fäden in der Hand hält: Die Schüler der AG führen die Vorleser in die Klassen, stehen - gut zu erkennen in ihren einheitlichen T-Shirts - bei Fragen zur Seite und haben zusammen mit Eichwede die gesamte Koordination von der Klassenverteilung bis hin zum Buffet übernommen. »Das ist immer viel Aufwand, macht aber auch Spaß«, sagt Joshua. Der Zehntklässler hat als Teil der Bücherei-AG bereits drei Vorlesetage mit organisiert.

Auch bei der Wahl einer passenden Lektüre steht das Team der KSS den Vorlesern zur Verfügung. Denn was alle eint: Niemand, der an diesem Vormittag liest, hat sein mitgebrachtes Buch halbherzig gewählt. Vielmehr werden die vorgelesenen Geschichten im Vorfeld gelesen, auf ihre Tauglichkeit geprüft, mit Post-Its und Büroklammern die passenden Stellen zum Vorlesen markiert. Lea Führ etwa liest »Die magischen Sechs«. Autor Neil Patrick Harris spielt in der Kultserie »How I met your mother«. »Damit hoffe ich, die Jugendlichen zu gewinnen«, sagt die Mitarbeiterin der Stadtbücherei.

An Vorleserin und Geschichte erinnert

Stadträtin Sabine Helwig liest an diesem Morgen in einer Klasse, in der sie zufällig bereits vor zwei Jahren gelesen hatte. »Die Kinder haben sich an mich und sogar das vorgelesene ,Orangenmädchen‹ erinnert«, staunt sie. Für sie und Kirchgäßner ist das ein Beleg, dass der Vorlesetag bleibende Spuren hinterlässt.

»Ähnlich einer Klassenfahrt ist er im Schulalltag ein ganz besonderes Erlebnis, an das man sich gerne erinnert«, unterstreicht die Lehrerin.

Für Evi Kirchgäßner wird es übrigens vorerst der letzte Vorlesetag gewesen sein: Die Lehrerin wird die nächsten drei Jahre in Guatemala lehren. Ihre Kollegin Nadine Mahlke wird das Projekt von ihr übernehmen.

Lesen Sie den Artikel von Jana Sauer in der Wetterauer Zeitung vom 18.11.2024 hier im Original.

 

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