In der Serie »Squid Game« geht es um scheinbar harmlose Kinderspiele. Doch wer verliert, bezahlt meist mit seinem Leben. Die Serie ist ab 16 - doch bei Grundschülern in der Wetteraukreis bekannt.
An einem Baum auf einem riesigen Innenhof steht eine übergroße Mädchenfigur. Hinter ihr warten 456 Menschen in durchnummerierten, grünen Trainingsanzügen auf den Beginn eines Spiels. »Rotes Licht, grünes Licht - wer sich bewegt, überlebt hier nicht«, ruft die Roboter-Puppe.
Dann dreht sie sich um, fokussiert einen Spieler, der noch nicht zum Stillstand gekommen ist. Es fällt ein Schuss, der junge Mann stürzt zu Boden - und stirbt. »Rotes Licht, grünes Licht« ist eines von sechs Spielen in der Netflix-Serie »Squid Game«, und die werden auch auf deutschen Pausenhöfen nachgespielt.
Brutale Netflix-Serie „Squid Game“ auch ein Thema an Wetterauer Schulen?
»Bei uns ist es schon angekommen«, sagt Margit Boas, Schulleiterin der Stadtschule an der Wilhelmskirche in Bad Nauheim. Eine Viertklässlerin habe beispielsweise ihrer Lehrerin erzählt, dass sie die Serie gesehen habe. Auch auf dem Pausenhof sei aufgefallen, dass Kinder die Spiele nachspielen.
Ist es vielleicht ein Zufall, da in der Serie Kinderspiele gespielt werden? Mitnichten. Da fallen Sätze wie »Ich schieß dich tot«, berichtet Boas.
»Die Serie ist für Erwachsene gedacht. Es geht darin um Sozialkritik am System, aber das können Kinder im Grundschulalter noch nicht überblicken. Sie nehmen nur die Gewalt wahr und setzten sie um«, erklärt Boas. Daher werde diese Art des Spielens, sobald sie bemerkt werde, strikt unterbunden.
Doch bei einem reinen Verbot bleibe es nicht. Zur Unterstützung seien auch Unterrichtsbegleitungen und Sozialarbeiter eingebunden, um mit den Kindern über das Gesehene zu sprechen.
Eine pauschale Herangehensweise gebe es nicht. »Es ist immer eine individuelle Fallentscheidung«, sagt Boas. Zudem habe es eine Sitzung mit dem Schulelternbeirat und eine Konferenz im Kollegium gegeben.
Wetterauer Schüler sprechen im Sportunterricht über Netflix-Serie »Squid Game«
An der Karl-Weigand-Schule in Florstadt sei »Squid Game« auch schon Thema. Besonders bei den Grundschülern, berichtet die Schulleiterin Franziska Burkhard. »Wir haben in der Gesamtkonferenz darüber gesprochen und alle Lehrkräfte sensibilisiert.
Das Thema wird mit offenen Augen und Ohren behandelt, um gegensteuern zu können.« Doch man habe sich dagegen entschieden, einen Elternbrief zu schreiben. Um nicht die Schüler auf das Thema zu stoßen, die es noch nicht mitbekommen haben.
Kürzlich sei »Squid Game« auch im Unterricht aufgekommen. Eines der Spiele aus der Serie war Teil der Sportstunde. Da sagten die Grundschüler, »das spielen sie auch in der Serie«. »Das war gut«, sagt Burkhard, »so konnte das Thema direkt mit den Kindern besprochen werden.« Auf dem Schulhof habe man die Spiele noch nicht beobachtet.
In der Gesamtschule Konradsdorf in Ortenberg sei das Thema nur vereinzelt aufgekommen. »Wir reden mit den Kindern darüber, wenn wir mitbekommen, dass jemand die Serie gesehen hat«, sagt die Schulleiterin Nicole Engel.
Doch bisher sei auch hier ein Spielen auf dem Pausenhof nicht aufgefallen. »Im Schulalltag ist Gewalt in Zusammenhang mit ›Squid Game‹ bisher nicht als zentrales Problem aufgeschlagen«, sagt sie. »Wir hoffen, dass es so bleibt.«
Gewaltprävention an den Schulen auch ohne Netflix-Serie
Ursula Hebel-Zipper, Schulleiterin der Kurt-Schumacher-Schule in Karben, sagt, dass bei ihnen bisher nicht viel aufgefallen sei. Doch man habe das Thema bei einer Gesamtkonferenz und einem Elternabend besprochen und prophylaktische Maßnahmen eingeleitet.
Man habe den Medienwissenschaftler Dr. Jörg Astheimer an die Schule eingeladen, um zu informieren, und ein Projekt für die fünften Klassen ins Leben gerufen.
Christine Stanzel vom Staatlichen Schulamt des Hochtaunus- und Wetteraukreises berichtet von vereinzelten Fällen. Bisher seien im Schulamt Meldungen von zwei Schulen - einer Grund- und einer weiterführenden Schule - eingegangen.
Auch sie empfiehlt: »Wenn es zu Gewalt käme, müssten Lehrkräfte dies unterbinden. Doch dies wäre nur der erste Schritt. Es ist wichtig, die Eltern ins Boot zu holen und zu sensibilisieren.«
Auch ohne die Serie gebe es Präventionsmaßnahmen. »Was in Schulen geleistet wird, ist eine gute Demokratie. Das lernen schon die Grundschüler.« Es gebe eine allgemeine Gewaltprävention an Schulen. »Einen respektvollen Umgang miteinander und die Stärkung des eigenen Selbst bekommen die Schülerinnen und Schüler vermittelt.«
Was interessiert Kinder an »Squid Game«?
»Zum einen übertreten Kinder gerne Grenzen und haben einen Wunsch nach Protest«, sagt Christine Stanzel vom Schulamt. Und die Serie ist erst ab 16 Jahren. »Zum anderen schweißt das gemeinsame Bestehen von extremen Situationen zusammen.«
Es sei außerdem ein gutes Gesprächsthema und könne in der Gruppe für Anerkennung sorgen bzw. zum Ausschluss, wenn man nicht mitmache. Daher könne es auch Gruppenzwang geben. »Doch durch die Serie allein, wird ein Kind nicht gewalttätig.«
Darum geht es in der Serie »Squid Game«: Hoch verschuldete Menschen erklären sich aus Geldnot bereit, bei einer äußerst blutigen Art Game-show mitzumachen, wo sie in einer Reihe von Kinderspielen mit tödlichem Ausgang antreten.
Lesen Sie den Artikel von Sophie Mahr aus der Wetterauer Zeitung vom 25.11.2021 hier im Original.